Hochwasserschutz Wattenwil

Das Projekt Hochwasserschutz Wattenwil entstand infolge des Unwetters vom 29. Juli 1990. Innerhalb von vier Stunden entluden sich bis zu 500 mm Hagel und knapp 300 mm Regen über dem westlichen Gantrischgebiet. Die Wassermassen der Gürbe schwollen entsprechend ebenfalls auf Rekordhöhe an. Nachträglich wurden Abflusswerte zwischen 200–250 m3/Sekunde ermittelt, rund das Dreifache eines 100-jährlichen Ereignisses, das auf 70 m3/Sekunde veranschlagt wurde. 

In kürzester Zeit zerstörten die tosenden Fluten die Flussverbauungen, die errichtet worden waren, um die Gürbe zu bändigen. Ausserdem frass sich das Wasser tief ins Bachbett ein und senkte dadurch dessen Sohle um bis zu acht Meter. Im «Hohli», oberhalb von Wattenwil, verliess der Fluss sein Bett und ergoss sich in Richtung der Dörfer Mettlen, Wattenwil und Blumenstein. Er schwemmte dabei das Geschiebe mit sich, das er von der Bachsohle weggerissen hatte, und lagerte es auf Feldern, Strassen und zwischen den Häusern ab. Die Kantonsstrasse zwischen Wattenwil und Blumenstein blieb tagelang gesperrt, die Gürbetalbahn musste ihren Betrieb für zwei Wochen einstellen. Rutsche und Murgänge richteten auch in den höher gelegenen Wäldern und auf den Alpweiden Schäden an. Der wirtschaftliche Schaden belief sich auf 40 Millionen Franken. 

Nach dem Wiederaufbau wurden weitere Massnahmen zur Schadensbegrenzung umgesetzt. Nach dem Schluchtausgang wurde eine S-Kurve im Gerinne der Gürbe begradigt. Oberhalb der Forstsägebrücke wurde ein Geschiebesammler mit einem Volumen von 100’000 m3, ein Rückhalterechen und eine Tauchwand von rund 30 Metern Länge und 2 Metern Höhe errichtet. Weiter wurde unter anderem das Gerinne vor der Blumenstein- und der Forstägebrücke ausgeweitet. Die Neubauten von der Ausschütte bis zum Hohli funktionieren bis heute sehr gut. Im Gürbe Oberlauf gestaltet sich die Umsetzung effektiver Massnahmen aufgrund des schwierigen Geländes herausfordernd. 


Gefahrenkarte und Schutzdefizit 

Im Jahr 2001 liess die Gemeinde Wattenwil eine integrale Naturgefahrenkarte ausarbeiten. Die Beurteilung für die Überschwemmungsgefahr für die Gürbe zeigte, dass grosse Flächen der Gemeinde der gelben und blauen Gefahrenstufe zugeteilt werden mussten. In der damaligen Einschätzung waren Teile des Siedlungsgebietes auch rot eingefärbt. Besonders intensiv trifft es v.a. flussnahe Gebäude im Bereich der Rösslibrücke sowie linksufrig in der Gewerbezone. 

Im Jahr 2021 liessen die Gemeinden Blumenstein und Wattenwil ihre Gefahrenkarte überarbeiten, es gibt keine rote Gefahrenstufe mehr ausserhalb der Gerinne, immernoch ist jedoch der Talboden fast flächendeckend blau. Es ist aus Sicht der Gemeinde für ihre weitere Entwicklung wünschenswert, dass das Dorf Wattenwil mehrheitlich in die weisse oder gelbe Gefahrenstufe eingeteilt werden kann. Die Lenkung des Überlastfalles muss eindeutig sein, damit die Prioritäten für die Siedlungsentwicklung entsprechend gesetzt und die Notfallplanung erarbeitet werden können. 


Gewähltes Schutzkonzept 

Um die gesetzliche Vorgabe, den Siedlungsraum vor einem «HQ 100» einem «Jahrhunderthochwasser» zu schützen, prüfte der Wasserbauverband Obere Gürbe in den letzten Jahren verschiedene Varianten. 

Die ausgearbeitete Konzeptvariante sieht zwei Hauptmassnahmen vor: 

  •  den Gerinneausbau auf 70 m3/s, dies entspricht ca. einem HQ30 
  • die Ausleitung grösserer Abflüsse nach rechts ins Landwirtschaftsland und die Rückführung in die Gürbe unterhalb der BKW-Unterstation 


Der Überlastfall wird mittels eines Drosselbauwerks am Ende der Ausleitstrecke abgesichert, welches so ausgebildet ist, dass einerseits die Durchflussmenge begrenzt und andererseits Schwemmholz zurückgehalten wird, welches im Überlastfall aus der "Ausschütte" mit ihrem Holzrechen ausgetragen werden kann. Umfangreiche Lenkungsmassnahmen im Überlastgebiet verringern mögliche Schäden und stellen sicher, dass das ausgeleitete Wasser nicht in Richtung des Siedlungsgebietes von Burgistein fliessen kann, sondern zurück ins Gürbegerinne findet. 


Perimeter 

Der Planungsperimeter umfasst das potenzielle Überschwemmungsgebiet der Gürbe ab Forstsäge bis zur Bahnbrücke BLS Lohnstorf (Gemeinden Wattenwil, Forst- Längenbühl, Gurzelen und Burgistein). Bei der genannten Brücke beginnt der Perimeter des bereits genehmigten Wasserbauplanes 'HWS untere Gürbe'. Betroffener Abschnitt Gürbe (Gewiss-km) km 20.552 (Brücke Forstsäge) bis km 15.908 (BLS Brücke Lohnstorf, Losgrenze zum Projekt 'HWS untere Gürbe'). 


Planverfahren 

Die Massnahmen werden im Wasserbauplanverfahren genehmigt. Die öffentliche Mitwirkung hat 2016 stattgefunden. Die kantonale Vorprüfung wurde im Jahr 2018 durchgeführt. Für die Abflusslenkung im Korridor wird die Kantonsstrasse Nr. 231 (Bernstrasse) Burgistein - Wattenwil abgesenkt. Nur so kann das Wasser auf die linke Seite und somit wieder Richtung Gürbe gelenkt werden. Die Kantonstrasse Nr. 1105 Wattenwil – Thierachern (Forststrasse) wird im Ereignisfall mit mobilen Dammbalken gesperrt. Beide Massnahmen sind mit dem Strasseneigentümer (OIK II) abgesprochen und werden im Wasserbauplanverfahren genehmigt. 


Kosten und Wirtschaftlichkeit 

Die Kosten für die Wasserbaumassnahmen belaufen sich auf rund Fr. 18.9 Mio. inkl. Baunebenkosten, Risiken und MwSt. Der Kanton übernimmt davon den Mehrwert der neuen Strasse, welcher noch nicht festgelegt wurde. Nicht darin enthalten sind Entschädigungen im Überlastfall, da diese nicht subventionsberechtigt sind. Der Wirtschaftlichkeitsfaktor der Gesamtinvestition beträgt nach EconoMe 2.5. Das Projekt ist subventionsberechtigt bei Kanton und Bund. Die definitiven Subventionssätze werden erst im Rahmen der Kreditbeschlüsse festgelegt. 


Landumlegung 

Damit das ausgeleitete Wasser wie vorgesehen wieder den Weg zurück in die Gürbe findet, braucht es bauliche Massnahmen wie Strassen und Geländeanpassungen sowie Dammschüttungen. Vor allem die Terrainveränderungen (Flachdämme) haben eine Auswirkung auf die bestehenden landwirtschaftlichen Strukturen und zerschneiden teilweise die Parzellen. Heute werden mit der Subventionierung von neuen Bauprojekten ausserdem ökologische Begleitmassnahmen gefordert, welche zusätzlichen Platz benötigen. 

Auf der Basis der Vorstudie hat der Wasserbauverband Obere Gürbe beschlossen ein Vorprojekt für die Durchführung einer Landumlegung in Auftrag zu geben. Damit soll das Projekt für die Landeigentümer und Bewirtschafter allgemeinverträglich werden. Die betroffenen Landeigentümer innerhalb des im Vorprojekt der Landumlegung vorgesehenen Perimeters sowie alle Interessierten wurden an einer Infoveranstaltung im Sommer 2022 vorinformiert. 

Bewilligungsverfahren beider Projekte 

Die Projekte Hochwasserschutz Wattenwil und Landumlegung benötigen verschiedene Bewilligungsverfahren. Ziel ist jedoch die gemeinsame öffentliche Auflage der Projekte. 

Nach Vernehmlassung der kantonalen Amts- und Fachstellen erfolgen aktuell weitere Abklärungen und Projektanpassungen.
 

Der weitere Verlauf ist wie folgt geplant: 

  • Öffentliche Auflage Perimeter Landumlegung sowie Publikation und öffentliche Auflage HWS 
  • Genehmigung des Projekts und Finanzierungsbeschluss der Verbandsgemeinden 
  • Subventionsgesuche Wasserbau sowie Landumlegung Projekt- und Finanzbeschluss Wasserbauplan durch Bund und Kanton 
  • Ausführung Wasserbauprojekt 


Quellen:  

Unwetter 1990: 

https://www.e-helvetica.nb.admin.ch/api/download/urn%3Anbn%3Ach%3Abel-381963%3AphpU6A7a3.pdf.pdf/phpU6A7a3.pdf.pdf 

https://rfo-gürbetal.ch/rueckblende-das-guerbehochwasser-im-sommer-1990/ 

Technische Berichte, Mitberichtsverfahren 2023